Music Insects

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Music Insects (1992) von Toshio Iwai
© Exploratorium, www.exploratorium.edu, Photo: Amy Snyder

Besonders bestechend an Toshio Iwais Music Insects ist, dass es sich hier um einen nahtlosen Hybrid aus einem pixelbasierten Malprogramm, einem Echtzeit-Programm zur Komposition und Aufführung von Musik und einer ausschließlich visuellen Programmierumgebung für animierte Verhaltensmuster handelt.[1] Das Herzstück der Interaktionslogik dieser innovativen Softwareapplikation ist ein grafischer Step-Sequencer, in dem animierte grafische Käfer musikalische Töne zum Erklingen bringen bzw. ihre Bewegungsrichtung ändern, wenn sie auf flache, farbige Pixel treffen, die der User ihnen in den Weg legen kann. Diese Farbquadrate begrenzen das audiovisuelle Terrain der vier virtuellen Käfer, die über das Gitterwerk der Bildfläche krabbeln. Wenn einer der Käfer auf ein Farbquadrat trifft, erklingt ein Ton einer diatonischen Skala, dessen jeweilige Tonhöhe von der Farbe des Quadrats bestimmt wird. Jeder Käfer stellt ein anderes Musikinstrument dar und bringt die Quadrate jeweils in seinem eigenen Timbre zum Klingen. So erzeugt einer der Käfer einen Klavierton, wenn er mit einem Pixel zusammenstößt; die andern erzeugen jeweils Perkussions-, Bassgitarren- und Trompetentöne.

Der User kann Pixel hinzufügen, modifizieren und löschen, während die Käfer damit beschäftigt sind, die Partitur abzuspielen. Eine weitere Anhebung des Niveaus ist möglich durch die Verwendung bestimmter, besonders gefärbter Pixel; Käfer, die mit ihnen in Berührung kommen, werden in Drehung oder in eine Rückwärtsbewegung versetzt. Mithilfe dieser besonderen Pixel kann der User die Käfer dazu bringen, Endlosrhythmen, sich gegeneinander verschiebende Polyrhythmen und komplexe Passagen zu erzeugen, die sich niemals zu wiederholen scheinen. Auf diese Weise definieren die Farbquadrate eine musikalische Partitur, deren Ergebnisse generativ, unvorhersagbar und stark rhythmisch sein können, wobei auch jede Kombination dieser Eigenschaften möglich ist. Und zugleich ist der User von Music Insects auch bildschöpferisch tätig.

Iwais Music Insects stellt eine nahezu vollkommen ausgewogene Lösung der Aufgabe dar, Ton und Bild simultan zu gestalten. Iwai gelingt es, u. a. durch den Einsatz seiner animierten Käfer, die als offensichtliche und selbst-erklärende Tonköpfe den live generierten Ton darstellen, viele der Lesbarkeitsprobleme zu bewältigen, die mit symbolischen und diagrammatischen Partituren verbunden sind. Da die Partitur des Systems aus elementaren Pixeln – statt aus ausführlich definierten Symbolen – besteht, eignet sich die daraus resultierende Feinkörnigkeit von Iwais audiovisueller Substanz gut zur Darstellung abstrakter oder gegenständlicher Bilder, und das Display des Systems lässt sich gleich gut als Gemälde und als Partitur lesen.

Ein spielerischer Zugang zum Design audiovisueller Interaktion und zu musikalischer Erfahrung wie in Music Insects ist ein Kennzeichen vieler japanischer Softwareprojekte und lässt sich auch bei anderen Software-Kunstwerken, wie z. B. Haruo Ishiis Hyperscratch (verschiedene Versionen, 1993–2003) und Masaki Fujihatas Small Fish (2000) feststellen.


Music Insects wurde ursprünglich als bildschirmbasierte Museumsinstallation für das Exploratorium in San Francisco entwickelt.  


 

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