Tanz als Audiovision

3 Ballet en Action (Handungsballett), Klassisches Ballett

Jean Georges Noverre erklärt in seinen romantischen Handlungsballetten (etwa Alceste, 1767) das Ballett zur selbständigen rhythmisch-plastischen Gattung.[7] In seinen Lettres sur la danse et sur les ballets heißt es: Es sind die Bewegungen und Wendungen der Musik, welche die Bewegungen und Wendungen des Tänzers begleiten müssen. Zwar ist der Tanz durch die Nachahmung ihrer Töne gleichsam das Echo der Musik, doch hat diese den Bedürfnissen seiner dramatischen Handlung zu gehorchen.[8] Das Vertanzen existierender Musik lehnt Noverre ab.[9] Tanz und Musik dienen dem Ziel, unmittelbare emotionale Einfühlung in die Handlung zu ermöglichen.[10] Im 18. Jahrhundert tritt die Demonstration tänzerischer Virtuosität in den Vordergrund. Im Musik-Diskurs wird die Theatermusik als unreine, abhängige Form vernachlässigt.[11] In den kompositionsgeschichtlichen Darstellungen des 19. Jahrhunderts spielt das Ballett kaum noch eine Rolle. Die sogenannte Programmmusik ermöglicht es Komponisten, sich in der sinfonischen Dichtung oder der Programmsinfonie eigenständig mit einer narrativen Vorlage auseinanderzusetzen.[12] Gleichzeitig rückt eine neue Auffassung der Musik als geistige Tätigkeit sie besonders im deutschen Sprachraum in die Nähe der Philosophie, was die Skepsis gegenüber ihrer körperlichen Umsetzung und jeder Form von Funktionalität noch verschärft.[13]

Beispielhaft für das klassische Ballett Ende des 19. Jahrhunderts ist die Zusammenarbeit von Marius Petipa mit Pjotr Tschaikowsky, etwa bei »Schwanensee« (1895). Bei Uraufführungen wie »Dornröschen« (1890) macht Petipa Angaben über Tempi und Charakter der Musik, gibt Taktart und sogar -anzahl vor. Die Stückentwicklung findet in engem Austausch zwischen Choreograf und Komponist statt.[14] Bestimmend für die Verbindung der visuellen choreografischen und der klanglichen Ebene bleiben dabei die formal-technischen Vorgaben des Tanzes.

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