Expanded Cinema

4 Übergänge zu Skulptur, Performance und Multimedia

Mit der zunehmenden Adressierung einer Frage nach der Expansion des Kinos traten gleichsam auch Fragen nach Bezügen des Films zu anderen Künsten wie der Skulptur oder der Performance auf. Als einer der bekanntesten Vertreter, der immer wieder die Relation des Films zum Medium der Skulptur ausgelotet hat, gilt Anthony McCall. In seinen sogenannten Solid Light Films, wie seinem bereits 1973 entstandenen Line Describing a Cone, setzt er den Lichtstrahl von Filmprojektoren und Beamern mittels Nebel dabei immer wieder so in der Dunkelheit des Raumes zwischen Projektor und Leinwand in Szene, dass dieser den im Projektionsraum umhergehenden Zuschauern als plastisch greifbar erschien. Gerade auf einen Künstler wie Bruce McClure, der in den frühen 1990ern begann, Filme zu produzieren, sollten diese Arbeiten McCalls einen großen Einfluss ausüben.

McClure thematisierte in seinen Arbeiten stärker die Prozessualität der Aufführung, indem er den Projektor wie ein Instrument benutzte, mit dem er während der Projektion experimentierte. Ähnlich wie Barbara Rubin, die in ihrem frühen Werk Christmas on Earth (1963) bereits Aufführungsanweisungen für die Beeinflussung der Projektion des Filmes gab, modifizierte auch hier der Künstler mittels des Einsatzes von Schablonen, Audio-Effektgeräten, Färbemitteln etc. in seinen Aufführungen wie Black & Blue – Yellowed (2001) den normalen Ablauf von Filmen und machte die Filmerfahrung so zu einem einmaligen Live-Erlebnis. Weitere Vertreter dieser sich verbreitenden Form des experimentellen Films sind beispielsweise Luis Recoder, Sandra Gibson oder Jürgen Reble und Thomas Köner. Gerade letztere schlossen dabei in einer Performance wie Alchemie (1992) wieder verstärkt an eine Geschichte der visuellen Musik an. Dabei wurde z. B. ein frei im Vorführraum hängender 16mm-Film konstant verändert, indem Reble verschiedene chemische Substanzen direkt auf den Filmstreifen aufbrachte. Diese Eingriffe veränderten das Bild auf alchemistische Weise, während Köner live eine Klangmischung erschuf, die auf den Geräuschen des Projektors basierte.

Diese räumlichen Ansätze, bei denen erneut der ganze Körper zum multisensorischen Erfahrungsfeld wurde, sollten ebenso für andere Kontexte wie Konzerte oder audiovisuelle Installationen immer wichtiger werden und bis heute ein interessantes Feld künstlerischer Beschäftigung mit dem Zusammenspiel von Bild und Ton bleiben. Dabei kann diese Art Live Cinema durchaus als Bindeglied zwischen den traditionellen Formen des Expanded Cinema und den neueren Formen der in Konzerten und Clubs entwickelten Form des VJing gesehen werden.

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