Apocalypse Now

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Still aus Apocalypse Now (1979) von Francis Ford Coppola
© Ufa 2002 (DVD)

In Apocalypse Now überlagern sich verschiedene experimentell wirkende Techniken des Sound Designs in sämtlichen Schichten der Narration. Wie häufig in Eröffnungsszenen wird der Zuschauer auf einen bestimmten Stil eingestimmt, hier auf das surreale Moment einer grenzwertigen Kriegserfahrung, das bis zum bitteren Ende aufrechterhalten bleibt und im Showdown zu einem kaum zu überbietenden Höhepunkt gelangt. Der Verlust des Kontakts mit der Wirklichkeit, die psychische und physische Desorientierung, ist eine Grundthematik dieses Films.

Die Anfangsszene aus Apocalypse Now gehört zum Kompliziertesten, was sich hinsichtlich der Subjektivierungsdiskussion finden lässt. Als Fokus der Subjektivierung schält sich nach und nach Willard heraus, dessen Name in dieser Szene allerdings noch nicht genannt wird. Die anfängliche Mehrfachbelichtung stellt einen Zusammenhang zwischen Willards Gesicht, einem brennenden Dschungel und einem Deckenventilator her. Das Schlagen eines Hubschraubers und die visuelle Analogie der rotierenden Blätter binden den Deckenventilator perzeptiv an den Hubschrauber an. Willard – auf dem Bett liegend – sieht den Deckenventilator ungefähr so, wie ihn der Zuschauer sieht. Eine andere Einstellung entlarvt die Erzählerstimme als metadiegetische Voice-over-Narration: Wir sehen das Gesicht und hören die Stimme, ohne dass sich die Lippen bewegen. Nachdem Willard als Fokus etabliert wurde, ist es plausibel, dass die Transformationen seiner Wahrnehmung zugeschrieben werden.

Es lassen sich eine Vielzahl von formalen Strategien ausmachen. Als globale Strategie ist die Dissoziation von Ton und Bild zu nennen. Unter Dissoziation ist eine deutliche, wahrnehmbare Trennung zwischen der akustischen und der optischen Darstellung zu verstehen. Visuelle und akustische Repräsentation decken sich nur punktuell. Der halluzinatorische Realitätsverlust äußert sich weitgehend im Fehlen von adäquaten Geräuschen, die sich mit der optisch repräsentierten Welt der Diegese decken. Bereits zu Beginn ist die Teilkomponente Schlagen der Rotorblätter des Klangobjekts Hubschrauber nicht nur signifikant zerdehnt, sondern steht auch isoliert da, ohne den Kontext eines konkreten Ortes.

Diese narrative Bewegung weg von einem realen Ort hin zu einer völligen Auflösung der Orientierung im Rausch wird im den folgenden Sequenzen ausgebaut durch die beschleunigte perkussive Musik in Kombination mit dem rauschhaften Tanz in Zeitlupe, in dem als einziges diegetisches Element das klirrende Zerbrechen des Spiegels einen kurzen Moment von authentisch wirkendem Realitätsbezug schafft. Zwar befindet sich der optische Blickpunkt außerhalb der Figur, die Zeitlupe korrespondiert jedoch mit einer subjektiven Zeitempfindung im Sinne einer mentalen Subjektivierung. Die fehlenden Geräusche, welche durch die dominante Musik ersetzt werden, lassen sich als auditive Subjektivierung interpretieren. Akustisches Symbol des völligen Realitätsverlusts ist der stumme Schrei Willards.

Die Sound Designer Walter Murch, der für das Gesamtkonzept zuständig war, und Richard Beggs, der die Hubschrauber-Sounds herstellte und als Musikmischtonmeister (Music Re-recording Engineer) die spektakuläre Interaktion von Geräuschen und Musik verantwortete, bewegen sich mit ihren Einfällen virtuos am Limit dessen, was in der Kultur des Mainstream-Films überhaupt möglich ist.