Der Gelbe Klang

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Ausschnitt aus Alfred Schnittkes Partitur von 1974 für Der gelbe Klang (1912) von Wassily Kandinsky
© Sikorski, Hamburg

Wassily Kandinsky veröffentlichte seine Bühnenkomposition Der gelbe Klang 1912 in München in dem von ihm gemeinsam mit Franz Marc herausgegebenen Almanach Der Blaue Reiter[1]. Eine Musik zu diesem Szenarium lieferte der mit Kandinsky befreundete Komponist Thomas de Hartmann.[2] Diese Bühnenmusik de Hartmanns hatte jedoch nur Entwurfscharakter, letztlich sollte die musikalische Gestaltung von jedem Theater und den speziellen Aufführungsmöglichkeiten abhängig sein. Dementsprechend entstanden immer neue Musikfassungen zu Der gelbe Klang; als besonders wirkungsvoll erwies sich dabei die Komposition von Alfred Schnittke aus dem Jahr 1974.

Der Text Kandinskys stellt kein vollendetes Werk im herkömmlichen Sinne dar, sondern ist vielmehr sowohl Konzept wie theoretisches Programm für ein Bühnenwerk. Die Handlungsträger sind namenlose, abstrakte Figuren: Fünf Riesen, sogenannte Undeutliche Wesen, eine Tenor-Stimme hinter der Bühne, Ein Kind, Ein Mann, Menschen im losen Gewand, Menschen in Trikot, ein Chor hinter der Bühne. Der Verlauf ist eingeteilt in eine Einleitung und sechs Bilder in direkter Folge. Das Bühnengeschehen wird bestimmt von einer präzise vorgeschriebenen Lichtregie, den Bewegungen der Darsteller und sehr kurzen Vokalpartien. Es gibt keine narrative Handlung: Bewegung, Klang und Licht bilden eine abstrakte Synthese. Die Bühnenfiguren stehen mehr in Interaktion mit diesen ästhetischen Gestaltungsmitteln als miteinander.

Entsprechend dieser Konzeption beschreibt Kandinsky die Geschehnisse des dritten Bildes folgendermaßen:

In schneller Abwechslung fallen von allen Seiten grellfarbige Strahlen (blau, rot, violett, grün wechseln mehrere Male). Dann treffen sich alle diese Strahlen in der Mitte, wodurch sie gemischt werden. Es bleibt alles unbeweglich. […] Plötzlich verschwinden alle Farben. Es wird einen Augenblick schwarz. Dann fließt die Bühne auf ein mattes gelbes Licht, welches allmählich immer intensiver wird, bis die ganze Bühne grell zitronengelb wird. Mit der Steigerung des Lichtes geht die Musik in die Tiefe und wird immer dunkler […]. Zur Zeit dieser zwei Bewegungen soll auf der Bühne nichts wie Licht gesehen werden: keine Gegenstände. Das grellste Licht ist erreicht, die Musik ist ganz geschmolzen. [3]

Die herausragende Bedeutung des Bühnenwerks Der gelbe Klang liegt in der Idee eines strikt antinaturalistischen Theaters, das auf logisch-kausale Handlungsverknüpfungen verzichtet und an diese Stelle die gleichwertige und autonome Verwendung der unterschiedlichen Gestaltungselemente Farbe, Licht, Bewegung, Klang und Musik setzt. Dabei hat Kandinsky kein geschlossenes Gesamtkonzept entworfen, sondern eine Bühnensituation geschaffen, in der die verschiedenen Künste zusammengefügt werden, ohne dabei in eine hierarchische Abhängigkeit zu geraten.




 

Werkdetails
  • Originaltitel: Der Gelbe Klang
  • Datum: 1912
  • Genre: Bühnenstück

Spezifikation
Entstehungszeitraum: 1909–1912
Uraufführung: Paris, 1956


Dieses Werk ist Thema in folgenden Texten